Aus Langeweile entstanden. Wem's gefällt.
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ELLIE
Sie übergab sich geräuschvoll in die Spüle. „Ellie...“, murmelte er.
„Was ist, Peter?“ Sie wandte sich zu ihm um, in ihren äußeren Augenwinkeln glänzten kleine Tränen und ihre Wangen waren gerötet.
„Tu mir das nicht an.“
„Tss.“
„Ellie...“
„Nenn mich nicht so.“ Himmel, er war der Einzige, der das durfte. Nicht jetzt. Er grinste höhnisch, die Falten um seine Augen breiteten sich wie kleine, feine Netze aus. Mit dem Handrücken wischte sie sich den Mund ab, öffnete das Fenster und schritt dann unruhig in der kleinen Küche auf und ab. Die billigen gelben Fliesen waren dreckig und trüb, durch das Küchenfenster fiel ein greller morgendlicher Sonnenschein. Kleine Staubteilchen tanzten im Licht. Sein Blick war müde. Nicht mehr das, was es einmal war.
„Ich hasse dich.“
„Sag doch sowas nicht.“
„Peter, bitte.“
Abwehrend hob sie die Hände, eine Geste der Kapitulation. Sie schmiss das Küchenhandtuch neben die Spüle, riss den Kühlschrank auf. Sie trank die Milch direkt aus der Tüte.
„Sei nicht albern, Ellen!“
Plötzlich legte er ihr von hinten die Hände auf die Schultern. Sie spürte seine Hüfte, den dünnen Stoff seiner Boxershorts. Sie schnaufte und rümpfte die Nase.
„Ich soll nicht albern sein? Sag du mir, was es ist. Die Rechnungen oder dieses dreckige Miststück, mit dem du dich jeden Freitag triffst? Du fickst sie, oder? Die ganze Nacht, hm? In einem schäbigen Motel. Sicher. Oh, Peter. Sag mir nicht, ich soll nicht albern sein.“
Die Ohrfeige saß. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern, doch schloss ihn sofort wieder. In diesem Moment als sie ihn ansah, hoffte sie, den Peter zu sehen, der sie damals auf dem Abschlussball mit einem Kuss überrumpelt hatte. Aber wirkte nur noch grauer, fahler als sonst. Eingefallene Wangen, graue Bartstoppeln und das einst so strahlende Blau seiner Augen war ein blasser Schleier, wie Regen auf einer Fensterscheibe.
„Du bist widerlich.“ Sie wollte ihn anspucken, aber sie tat es nicht.
Als er gegangen war, mitsamt seiner sieben Sachen, hatte Ellen nicht geweint. Sie hatte den Vorhang des Küchenfensters zur Seite geschoben und ihn ins Taxi steigen sehen. Mit seinem Hut und einem kleinen Koffer. Er hinterließ einen Stapel Briefe und eine hauchdünne Staubschicht auf dem Küchentisch. Sie stand in der Küche, an die Spüle gelehnt. In einem grünen Kleid und einer Schürze. Die langen Haare zu einem ordentlichen Dutt geknotet, mit gefeilten Nägeln. Sie fühlte sich unwohl. Sie betrachtete den Kühlschrank, der schon bessere Zeiten erlebt hatte. Er war mit allerlei Magneten und Notizen übersät. Kassenzettel, Fotos und einige Lotteriescheine. Sie schmunzelte in sich hinein. Wann hatte sie eigentlich damit angefangen, mit der Lotterie? Seit wann war sie so naiv und blauäugig, zu denken, sie würde jemals den großen Gewinn machen? Schweigend ging sie in ihr Schlafzimmer und ließ sich auf dem leeren Doppelbett nieder, um ein Mittagsschläfchen zu halten.
Dienstags spielte sie Lotto. Auf dem Weg in die Mall hielt sie stets in einem dieser Zeitungsläden an, um eilig das Zettelchen auszufüllen, dem spanischen Ladenbesitzer lächelnd zuzunicken und anschließend im „Colbie's“ einen Kaffee zu trinken. Früher war sie dann immer mit Peter zu dem Pavillon gegangen, der direkt im Park neben der Mall stand. Nun erschien es ihr eher wie eine weit zurückliegende, unwichtige Erinnerung, der sie nie wieder auch nur einen Funken Beachtung schenken wollte. Ellen fühlte sich alt. Sie zahlte und verließ das Café. Das kleine Städtchen erschien ihr wie immer. Träge und verschlafen, und doch voll mit allerlei aufgewühlten Menschen, die ihren Aufgaben nachgingen und fleißig wie die Bienen von morgens bis abends arbeiteten.
Ellen war Krankenschwester, ihre Schicht ging dienstags von 6 bis 17 Uhr. An den restlichen Tagen von 7 bis 18.30 Uhr. Sie mochte ihren Job, dennoch verrichtete sie ihn mit einer gewohnten Gleichgültigkeit. Mit den anderen Schwestern konnte sie nichts anfangen. Sie waren anders. Kicherten ständig und aßen mittags Obstsalat oder Pudding.
Ellen, die mit Nachnamen Birch hieß, ließ sich auf einer Bank im Park nieder und sah einmal kurz auf, zu dem Pavillon. Sie kauerte dort und hielt sich zurück mit dem Weinen. Als eine leichte Windböe sie schließlich erfasste und sich einige der glatten, hellbraunen Strähnen aus ihrem Zopf lösten, musste sie doch ein wenig weinen. Die Leute gingen lachend an ihr vorbei, unterhielten sich und gingen fleißig wie die Bienen ihren Aufgaben nach.
An diesem Dienstag gewann Ellen 4 Millionen Dollar.