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 [Kurzgeschichte] Tiffany.

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[Kurzgeschichte] Tiffany. Empty
BeitragThema: [Kurzgeschichte] Tiffany.   [Kurzgeschichte] Tiffany. EmptySo Okt 02, 2011 4:56 pm

Aus Langeweile entstanden, außerdem hatte ich
diese Vision von einem verlassenen Ferienhaus bei Nacht.

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„Warum bist du hier?“, fragte sie leise. Ich lächelte süffisant in mich hinein.
„Warum ich heimlich in unser Ferienhaus in den Hamptons gereist bin, und das mitten in der Schulzeit? Nun ja, Tiffs, ich könnte dich dasselbe frage, oder?“ Ich fühlte mich unwohl.
Der Regen prasselte gegen die bodentiefen Fenster und die Blitze am Himmel erhellten für den Bruchteil einer Sekunde das gesamte Haus. Es war mitten in der Nacht.
„Ich habe einen Grund, Schwesterherz.“ Ihre schwarze Silhouette rührte sich nicht, sie ruhte am anderen Ende des Raumes. Mein Herz raste.
„Du überraschst mich nicht. Das hast du noch nie. Schließlich bist du Tiffany.“, sagte ich trocken. Meine Hand war schweißnass, ich hielt die Reisetasche noch immer fest. Allein das Unwetter übertönte die Stille. Tiffany ging langsam auf mich zu. Ich wollte keine Angst haben, denn sie war ja nur meine kleine Schwester.
„Sag's mir, Mags. Was hast du angestellt?“
„Du bist böse.“, brachte ich nur heraus. Sie schnaufte amüsiert.
„Durch und durch.“ Ich konnte das schadenfrohe Grinsen aus ihren nackten Worten heraushören.
„Was hast du getan?“, kreischte ich plötzlich. Mein Geduldsfaden war gerissen, die Tasche kam mit einem dumpfen Ton auf dem Holzboden auf.
„Maggie, reiß dich verdammte Scheiße mal zusammen.“, zischte sie und krallte ihre langen Nägel in meine Schulter. Plötzlich war alles, die Luft, jede meiner Poren, mit ihrem penetranten Parfum erfüllt. Und plötzlich kam es mir bedrohlicher vor, als es jemals gewesen war.
„Caleb hat Schluss gemacht.“, hauchte ich und versuchte, ihr durch die Schwärze der Nacht in die Augen zu sehen. Obwohl sie kleiner war als ich, konnte ich ihre starke Hand auf meiner Schulter spüren, grausam und gefährlich. Meine Augen füllten sich langsam mit Tränen. Wie eine frische Wunde sich mit Blut füllt.
„Das tut mir Leid.“ War das etwa ein Funken Ehrlichkeit?
„Bitte, Tiffany. Sag mir, warum du hier bist. Ich kann dir helfen.“, flüsterte ich, meine Stimme zitterte, und ich selbst auch. Ihre Hand glitt von meiner Schulter und sie senkte ihre Kopf. Dann kehrte sie auf dem Absatz um und schritt langsam im Wohnzimmer auf und ab. Ich musste mir Mühe geben, mich auf ihre schwarze Gestalt zu konzentrieren.
„Das ist so eine verdammt. . . lange und beschissene Geschichte, weißt du, Maggie?“ Sie lachte kurz auf, holte Luft und fuhr dann fort:
„Du kennst Sherry Rhodes, oder? Dieses dumme Flittchen. Ja, du kennst sie sicher. Wir waren neulich auf dieser Party in Sherrys Apartment in Manhattan. Gegen Ende des Abends, wir alle natürlich vollkommen. . . zugedröhnt, verlegten wir die Party aufs Dach. Tja, irgendwie war es ja meine Idee. War super lustig und alles. Haben gelacht, getanzt, getrunken. Und plötzlich sage ich 'Hey, Sherry, stripp' für uns!', und alles ging so schnell. Alle haben gelacht und geklatscht. Und sie zieht sich aus und geht langsam rückwärts. Ich gehe zu ihr und will ihr den Seidenschal vom Hals reißen und plötzlich sieht sie mich mit so einem. . . absurden Gesichtsausdruck an und fällt einfach. Rückwärts vom Dach. Ein lustiger Zufall, oder?“ Ich konnte mich nicht rühren und nicht denken. Ich schnappte hörbar nach Luft, versuchte irgendwie Worte zu finden.
„Das ist es doch, oder, Maggie? Ein lustiger Zufall.“ Sie lachte ihr lautes, kreischendes Lachen und hüpfte auf und ab, vor Freude.
„Du. . . du konntest ja nichts dafür, oder? Schließlich ist sie. . . und naja. . .“, stotterte ich, gestikulierte wild mit meinen Händen. Und ich wollte einfach sterben, denn ich war es so Leid ständig alles gut zu reden.
„Nein, Tiffany. Diesmal nicht. Diesmal kommst du nicht ungeschoren davon.“, sagte ich plötzlich. Meine Miene war ausdruckslos, meine Gefühle waren ausgeschaltet.
„Ich muss die Polizei anrufen.“ Ich drehte mich um und ging in die Küche.
„Nein, Maggie, nein!“, kreischte sie und ich hörte ihre hastigen Schritte hinter mir. Sie packte mich an der Schulter und riss mich herum, zwang mich, ihr ins Gesicht zu sehen.
„Das kannst du nicht machen. Das kannst du mir nicht antun. Ich bin deine Schwester, Maggie! Wir haben immer zusammengehalten.“ Und plötzlich war sie wieder die kleine Tiffany mit den aschblonden Zöpfen und den nassen, großen Rehaugen und aufgeschürften Knien. Sie kleine Tiffany, die nirgends ohne ihren Teddy hinging. Aber jetzt war sie sechzehn Jahre alt und es fühlte sich so an, als wäre sie die Stärkste in der Familie.
„Maggie. Als Dad uns verlassen hat, habe ich gedacht, dass es uns nur noch stärker macht. Dich und mich. Maggie und Tiffany Hallaway. Als Team. Das waren wir doch immer, oder Mags?“ Ihre Stimme war leise und brüchig und innerlich stellte ich mir vor, wie ihre Unterlippe zu zittern begann. Ein Blitz erfüllte den Raum mit weißem Licht und ihre aufgerissenen Augen starrten mich verständnislos an. Eine Träne rann stumm über meine Wange und tropfte auf den Boden. Niemand würde dieser Träne jemals Beachtung schenken.
„Werd' erwachsen, Tiffs.“, flüsterte ich kühl und riss mich von ihr los. Hastig stürzte ich zum Telefon.
„Nein, nein, nein, nein! So läuft das nicht, Maggie. So läuft das nicht, nicht mit mir. Ich habe dir gerade eine Chance gegeben, die Chance, meine Schwester zu sein.“ Sie klang so verrückt und traurig zugleich. Der Telefonhörer glitt aus meiner schweißnassen Hand.
„Du machst mich so verdammt wütend, Maggie!“, schrie sie und warf sich auf den Hörer. Meine Reflexe zwangen mich dazu, hinterher zu hechten. Mit einem lauten Knall stieß mein Kopf gegen die Kochinsel. Vor meinen Augen breitete sich ein schwarzer Fleck aus. Er wurde größer und drohte, alles einzunehmen, was ich sah. Er durfte den Rand nicht erreichen. Das hatte ich irgendwo mal gelesen. Würde er mich ganz erfüllen, würde ich das Bewusstsein verlieren. Ich rappelte mich mit zitternden Knien auf und drängte die Schwärze zurück.
„Ich habe dich doch immer geliebt, und dich auch so behandelt. Warum kannst du mir jetzt nicht auch beistehen, Mags?“ Sie weinte bitterlich, doch das kaufte ich ihr nicht ab. Sie holte aus und das Telefon zerschellte an der Wand. Tausend kleine Teile ergossen sich über den Boden zu meinen Füßen. Dann ging Tiffany mir an die Gurgel. Ihre Hände drückten sich in meinen Hals, ihre kalten, mörderischen Hände. Ich spürte die Wand in meinem Rücken und die kleinen Splitter unter meiner Schuhsohle.
„Wir finden eine Lösung, Tiffany. Es war nicht deine Schuld. Ihr wart auf Droge.“, keuchte ich. Sie lachte laut und grässlich und ihr heißer Atem schlug auf meine kalten Wangen auf, wie Wellen in der Brandung.
„Tja, ehrlich gesagt war es ja meine Schuld. Ich habe sie gehasst. Sherry hat mit Victor geschlafen und sie wusste, wie viel er mir bedeutet. Ich wollte sie erwürgen mit ihrem scheiß Schal. Im Nachhinein ein seltsamer Gedanke, wenn man bedenkt, dass sie auf der Schwelle des Daches stand. Ich bin jetzt offiziell Mörderin, Mags. So wie du.“ Ich schnappte nach Luft. Wie konnte sie nur? Mir blieben die Worte im Hals stecken. Ihr Griff lockerte sich. Am Himmel blitzten Blitze und in meinem Kopf diese Bilder auf. Die Bilder von dieser Nacht. Das Steuer des Wagens direkt vor meiner Nase und meine Knöchel weiß, weil ich es so fest hielt. Und alles hat sich gedreht, weil ich so verdammt betrunken gewesen war und alle haben irgendwie gelacht. Und als die Reifen gequietscht haben, hatte ich gewusst, dass mindestens einer von uns dran glauben muss. Und ich hatte damals gehofft, dass ich es sein würde.
„Ich hasse dich!“, kreischte ich, ich konnte nicht aufhören zu weinen. Ich übergab mich geräuschvoll. Sie ließ von mir ab und machte einen Schritt zurück.
„Es ist vorbei, und so. . . lange hier. Wie kannst du mir das nur antun? Wie kannst du nur darüber reden, obwohl wir uns geschworen haben, es nie wieder zu tun?“
Ich schlug ihr ins Gesicht, verfehlte es sogar ein bisschen und traf ihr Ohr. Tiffany schnaubte laut und stützte sich mit einer Hand an der Kochinsel ab. Diesen Moment nutzte ich. Ich sprintete zurück ins Wohnzimmer, griff nach meiner Tasche und blieb abrupt stehen. Um hier rauszukommen, musste ich durch die Küche. Schweiß perlte von meiner Stirn, Gedanken schleuderten in meinem Kopf umher und mein Herz pochte heftig und unregelmäßig. Ich rannte zur Treppe und nahm zwei Stufen auf einmal. Vor mir erstreckte sich der dunkle Flur. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den Anderen. Wo war Tiffany? Verfolgte sie mich noch? Ich hatte nur eine Chance. Der Balkon meiner Mutter. Von dort aus auf die Wiese und von dort zum Tor. Von dort aus ins Auto und weg von hier. Von der verrückten Mörderin, die einmal meine Schwester gewesen war.
Das Zimmer meiner Mutter lag am Ende des Flurs. Meine Beine zitterten, aber sie trieben mich weiter, genauso wie der Wille, endlich dieser Hölle zu entkommen.
„Maggie, du verdammtes Miststück! Wo bist du?“ Das kam von der Treppe. Mein Herz blieb stehen. Die Zeit verlangsamte sich. Ich rannte. Sie tat es auch, ich konnte ihre Schritte hören. Ich streifte den Türrahmen und blieb vor der gläsernen Schiebetür stehen, die mich von der Freiheit trennte. Draußen war es stockdunkel, das Unwetter hielt noch immer an. Abgeschlossen. Mein Mund war trocken. „Bitte nicht, nein.“, flüsterte ich kaum hörbar und ruckelte an der Tür, immer wieder, um mich zu vergewissern, dass dieser Albtraum nicht wahr sein konnte. Aber sie blieb an ihrem Fleck und ich hatte keine Kraft mehr. Tiffany ging den Flur entlang, ihre gedämpften Schritte wurden immer lauter und rauschten in meinem Ohre. Ich nahm meine Tasche und schlug damit die Scheibe ein. Dann nahm ich Anlauf und warf mich über das Geländer des Balkons.
„Bleib hier, Maggie!“, kreischte sie und blieb am Geländer stehen. Ich konnte sie von unten sehen, spürte das Gras an meiner Wange. Die Nässe, die langsam in meine Kleidung glitt. Mein Kopf schwirrte und pochte. Tiffany richtete eine Pistole auf mich und ich wollte keinen Gedanken daran verschwenden, woher sie die hatte. Mutters Tresor, schätzte ich. Zahlenkombination: 1979. Das Jahr, in dem sie Dad kennengelernt hatte. Wieder brach ich in Tränen aus, ich lag regungslos auf dem Rasen und starrte zu meiner kleinen Schwester hinauf, die drauf und dran war, mich zu erschießen. Ich wandte mich, spürte den stechenden Schmerz in meinen Knochen und krabbelte über den Rasen, direkt unter den Balkon, wo ich keine Zielscheibe für sie sein konnte.
Eine Kugel traf mich am Knöchel und für einen kurzen Moment fühlte es sich so an, als hätte sie mich an den Boden genagelt. Ich schrie laut auf und konnte sie direkt über mir sehen. Obwohl sie zwei Meter, oder mehr, über mir schwebte, fühlte es sich so nah an.
Ein Blitz erhellte für den Bruchteil einer Sekunde ihr Gesicht und ihre grausame Grimasse kreischte vor Lachen, als sie mich ins Visier nahm und schoss.
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